Im Deutschunterricht haben wir das bedeutende und literarische Werk, der Sandmann von E.T.H. Hoffmann, gelesen. Im Theater, der Oper, Ballettaufführungen, moderner Musik, dem Film und Märchen wurde die Geschichte des Sandmanns weitergeführt und verschiedenartig dargestellt. Die Vielfältigkeit der Deutungen und Pararellen in dieser Geschichte faszinieren mich und beschäftigen bis heute, bewusst oder unbewusst, die Menschen und die Gesellschaft. Ob auf religiöser, politischer, medizinischer, verbrecherischer oder lustiger Ebene betrachtet, ist die Geschichte des Sandmanns gegenwärtig und aktuell. Der Sandmann existiert immer in irgendeiner Weise. Da dieses Werk die Psyche und Gefühle der Darstellenden zeigt und beschreibt, ist es der Romantik zuzuordnen.
Die Geschichte handelt vom Protagonisten Nathanael, welcher ein schlimmes Kindheitstrauma erlitt, das ihn sein Leben lang quälte und schliesslich zum Selbstmord trieb. Die Einschüchterungen und Drohungen des Advokaten Coppelius, der mit seinem Vater alchemistische Versuche durchführte, die zum Tod seines Vaters führten, verletzten tief seine Seele und prägten ihn nachhaltig. Im Text sind verschiedene Motive versteckt, die wir auch im Unterricht besprochen haben. Das wichtigste Motiv, das immer wieder während der ganzen Geschichte vorkommt, ist das Augenmotiv. Die Augen sind die Grenze von innen nach außen. Sie werden als Symbol für die Wahrnehmung der Realität und des Selbst gebraucht. Nach innen sind Nathanaels Augen auf seine Psyche und Gefühle gerichtet, nach aussen sieht er eine verzerrte Realität. Nathanael kann die Gedanken und die Realität nicht mehr richtig voneinander trennen. Rationale Bilder vermischen sich mit irrationalen. Er weiss nicht mehr, was wahr ist und was er tatsächlich sieht.
Durch das Lesen und die nachfolgende Besprechung dieses literarischen Textes, haben sich mir viele Fragen eröffnet und mich zum Nachdenken gebracht. Insbesondere habe ich mir die Frage gestellt, ob das Augenmotiv, welches mehrfach vorkommt, ein Kindheitstrauma sein könnte, welches ihn schlussendlich in den Selbstmord getrieben hat. Im Buch trat es schon in seiner Kindheit auf, als Coppelius Nathanael drohte, ihm die Augen auszureissen. Seine Sicht nach aussen, auf die alchemistischen Versuche und seine Sicht nach innen, als Folge der Drohungen von Coppelius, sowie das Vermischen der Sichtweisen und Vorstellungen von Nathanael, stellen das Augenmotiv in den Mittelpunkt. Was solche Bilder in einem sensiblen Kind auslösen können, muss schrecklich sein und deuten auf ein Trauma hin. Das Buch hat sehr viele Parallelen mit dem Leben von E.T.A Hoffmann selbst. Hoffman hatte ein Kindheitstrauma sowie Nathanael. Hoffmann wuchs in zerrütteten Familienverhältnissen auf und musste sich schon früh in seine Phantasiewelt zurückziehen. Dies verfolgte ihn sein Leben lang. Hoffmann hatte auch Angst wahnsinnig zu werden, was Nathanael leider aber in der Geschichte wurde.
Kindheitstraumata sind manchmal im Leben von Personen zu finden. Einige Menschen erleben sie schlimm und andere haben Glück. Traumata können durch verschiedene Ereignisse auftreten, wie häusliche Gewalt, emotionaler Missbrauch, familiäre Probleme, Vernachlässigung und Krieg. Nun kommt aber die Frage auf, wieso es manche Menschen mehr betrifft und manche weniger. Jeder Mensch ist anders und nimmt die Probleme ganz verschieden auf, ordnet das Gesehene und Erlebte anders ein, reagiert stärker oder schwächer auf Gefühle oder zum Teil aggressiv gegen sich oder seine Umwelt. Was für die einen traumatisch ist, muss nicht zwangsläufig auch für andere sein. Hier spielen eine Reihe von Faktoren mit, wie genetische Veranlagung, familiärer Halt und vorherige Erfahrungen.
Die Behandlung von Kindheitstraumata erfordert einfühlsame, strukturierte und oft langwierige Ansätze. Es ist wichtig, dass der Heilungsprozess individuell angepasst wird, da jedes Trauma und jede Person unterschiedlich sind. Als Psychiater liegt der Schwerpunkt bei der Behandlung von Kindheitstraumata sowohl auf der Diagnose und medikamentösen Behandlung als auch auf der Zusammenarbeit mit Psychotherapeuten.
Zuerst wird eine gründliche Diagnose erstellt, welche die Gesundheit, die Kindheitserfahrungen und die aktuellen psychischen Symptome des Patienten aufzeigt. Dabei wird auch untersucht, wie sich das Trauma im Laufe des Lebens gezeigt hat. Psychiater arbeiten am meisten mit verschiedenen medikamentösen Behandlungen. Diese Medikamente können helfen, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern, damit dieser sich beruhigen kann. Psychiater arbeiten oft mit Psychologen oder Psychotherapeuten zusammen, um dem Patienten zu helfen, das Trauma zu verarbeiten. Während all diesen Behandlungen bleibt der Psychiater stets an der Seite des Patienten und versucht Rückschläge zu verhindern.
Nathanaels Problem war, dass niemand seine Krankheit erkannte. Er selbst verdrängte sie erfolglos, das Trauma erschien verstärkt wieder. Seine Mitmenschen verstanden ihn nicht, konnten sein Leiden nicht begreifen oder deuten, versuchten ihn erfolglos von etwas anderem zu überzeugen. Sein Wahn führte zu einer verheerenden Beschäftigung mit sich selbst, zum Verlust der realen Wahrnehmung und der Selbständigkeit.